Wunderst du dich manchmal, warum Personen, die gar nicht besonders viel von einer Sache verstehen, trotzdem am lautesten darüber Diskutieren oder solche, die nicht besonders begabt in einer Tätigkeit sind und den anderen trotzdem Tipps geben? Dieser Artikel soll helfen Besserwisser verstehen zu lernen.
Wir Scanner-Persönlichkeiten scheinen uns besonders oft über diesen Schlag Mensch zu wundern oder vielleicht sogar zu ärgern.
Ich auch.
Ich befasse mich sehr gerne damit, wie andere Menschen «funktionieren» und lese darüber, wie man andere Menschen verstehen kann. Vielleicht, weil ich mich oft als anders empfunden habe oder vielleicht auch einfach nur so, weil ich mich als Vielinteressierte einfach für viel interessiere ?
Doch auch viele andere scheinen sich für dieses Thema zu interessieren. So haben die beiden Wissenschaftler Dunning und Kruger genau dies untersucht und Erstaunliches herausgefunden.
Inkompetenz und Selbstüberschätzung
In ihrer Studie untersuchten die beiden die Illusion der Überlegenheit und die sogenannte kognitive Verzerrung. Dabei handelt es sich um eine Verschiebung unserer Wahrnehmung dessen, wie gut wir etwas können.
Die Idee zu der Studie entstand, als Dunning die Geschichte eines Bankräubers las, der glaubte auf dem Gesicht aufgetragener Zitronensaft würde ihn für Überwachungskameras unsichtbar machen. So raubte er, ohne weitere Vermummung, zwei Banken aus und wurde daraufhin natürlich gefasst. Er konnte sich nicht erklären, warum er auf den Videos zu sehen war. Dies brachte Dunning darauf, die Theorie zu testen, ob jemandem dem eine gewisse Kompetenz fehlt auch die Fähigkeit fehlt, diese Inkompetenz zu erkennen.
Die Studie ist unter dem Titel «Unskilled and Unaware of It: How Difficulties in Recognizing One’s Own Incompetence Lead to Inflated Self-Assessments» erschienen. Also ungefähr “Unbegabt und nichts ahnend: Wie Schwierigkeiten in der Erkennung der eigenen Inkompetenz zu einer aufgeblähten Selbsteinschätzung führen”.
So haben die Autoren in vier verschiedenen Tests Probanden auf Humor, Grammatik und logisches Denken untersucht. Dabei mussten diese ihre Fähigkeiten in diesen Gebieten selbst einschätzen und die Einschätzungen wurden mit den tatsächlichen Resultaten verglichen.
Die Ergebnisse sind unglaublich!
Die Studien Resultate – der Dunning-Kruger Effekt
Die Personen, welche am schlechtesten in den Tests abschnitten, überschätzten ihre Fähigkeiten am stärksten. Obschon sie im untersten Viertel landeten, dachten die Personen sie hätten überdurchschnittlich abgeschnitten.
In diesen Graphen aus der Studie sieht man, wie sich alle Teilnehmer unabhängig von ihrer Fähigkeit immer als Überdurchschnittlich einschätzen.

So überschätzen sich die Personen mit den schlechtesten Ergebnissen am stärksten. Die etwas überdurchschnittlich begabten schätzen sich einigermassen realistisch ein, während sich die begabtesten unterschätzen.
Dies bedeutet auch, dass wenn man etwas Neues lernt, man anfangs denkt, man sei schon super toll und je länger man trainiert, desto mehr merkt man, dass man es eben nicht ist.
In dieser und weiteren Untersuchungen konnten die Forscher zeigen, dass Menschen sich selbst in unterschiedlichsten Tätigkeiten wie Schach spielen, Tennis, Leseverständnis, Autofahren und der Ausübung von Medizin selbst überschätzen.

Ich weiss, dass ich nichts weiss – Besserwisser verstehen konnten schon die alten Griechen
Während Dunning und Krüger als erste wissenschaftlich die Selbstüberschätzung eindrücklich aufzeigen konnten, so ist die Idee nicht neu und schon viele Philosophen und andere grosse Köpfe haben Aussagen in diese Richtung gemacht.
“Wissen, was man weiss, und wissen, was man nicht weiss, das ist wahres Wissen” – Konfuzius
“Ignoranz bringt häufiger Selbstvertrauen hervor als Wissen” – Charles Darwin
“Der Narr hält sich für weise, aber der Weise weiss, dass er ein Narr ist.” – William Shakespeare
“Das Problem der Welt ist, dass intelligente Menschen voller Zweifel und Dumme voller Selbstvertrauen sind!” – Charles Bukowski
“Ich weiss, dass ich nichts weiss” – Sokrates
Die Blindheit gegenüber den eigenen und anderen Fähigkeiten
In allen Bereichen kann man dasselbe Phänomen beobachten, wir schätzen uns überdurchschnittlich ein und am stärksten überschätzen wir uns, wenn wir am wenigsten Ahnung haben. Gleichzeitig unterschätzen wir das Können der Anderen und können deren Expertise nicht richtig erkennen.

Dunning erklärt dies damit: „Wenn jemand inkompetent ist, dann kann er nicht wissen, dass er inkompetent ist. Die Fähigkeiten, die man braucht, um eine richtige Lösung zu finden, [sind] genau jene Fähigkeiten, die man braucht, um eine Lösung als richtig zu erkennen.“
Also fehlen dem Laien die Informationen oder die Denkfähigkeiten, um zu wissen, was man als Experte alles wissen könnte. Er glaubt aufgrund dessen, dass er die benötigten Fähigkeiten in einem überdurchschnittlichen Mass mitbringen würde.
Unqualifizierte leiden dabei nicht etwa unter ihrer Unfähigkeit, wie man annehmen könnte, sondern fühlen sie sich sogar extrem selbstbewusst. Was für eine verdrehte Welt. Können wir Besserwisser verstehen lernen?
Im Gegensatz dazu unterschätzen sich die Experten. Dunning und Kruger erklären dies damit, dass der Experte fälschlicherweise annimmt, dass die Tätigkeiten, welche ihm leicht fallen, anderen auch leicht fallen würden und sie somit als einfach eingestuft werden.
Wir tun es alle

Wo überschätzt du dich? Ich wundere mich gerade wieder beim Schreiben, worin ich mich wohl überschätze.
Wir werden es wohl nie erfahren, ausser eine andere Person sagt es uns. Wie Dunning feststellt, fehlt uns die Fähigkeit zu erkennen, dass wir in einer bestimmten Tätigkeit nicht gut sind, sonst wären wir gar nicht so schlecht darin.
Mit Nachdenken können wir somit nicht herausfinden, welches unsere Schwächen sind. Wir erkennen sie nicht und überschätzen unsere Fähigkeiten in diesem Bereich extrem.
Ich finde das Gefühl äusserst unangenehm, zu wissen, dass ich mich völlig überschätze. Doch ausser diesem Gefühl, warum ist das überhaupt ein Problem?
Der Dunning-Kruger Effekt und Scanner-Persönlichkeiten
Ich fände die Untersuchung sehr spannend, wie sich Scanner-Persönlichkeiten oder Vielbegabte in Bezug auf den Dunning-Kruger Effekt verhalten.
Wahrscheinlich hängt es sehr von Typen und dem Charakter ab.
Bei den Scannern, die sich immer wieder mit neuen Themen befassen und dabei jedoch nie in die Tiefe gehen, ist es oft eher umgekehrt. Weil wir von der Umgebung und der Gesellschaft kritisiert werden darin, dass wir alles nur oberflächlich wissen, trauen wir uns zu wenig zu.
Wir wissen, dass wir nur wenig wissen und es immer Menschen geben wird, die besser darin sind.
Sind wir vielleicht gefeiht von dem Effekt? Wahrscheinlich nicht. Oder?
Warum ist das überhaupt ein Problem?
Durch die Fehleinschätzung unserer Fähigkeiten kommen wir zu falschen Schlussfolgerungen und fällen unvorteilhafte Entscheidungen. Hinzu kommt, dass wir dies nicht einmal erkennen können, da genau diese Fähigkeit fehlt.
Dies führt in Beruf und Privatleben zu schwierigen Situationen und Fehlern, welche möglicherweise vermieden werden könnten. Schwierig ist auch, dass das Umfeld oft den Selbstüberschätzern glaubt, dass sie kompetent seien, weil diese übermässig selbstbewusst auftreten.

Betroffene blenden dabei mögliche Folgen ihrer Schwächen komplett aus, möglicherweise unbewusst zum Schutz ihres Selbstbildes und tun Kritik, welche sie dazu erhalten, als unangebracht ab.
Nun müsste man annehmen, dass inkompetente Personen häufig negatives Feedback zu ihrer Inkompetenz erhalten,so dass sie die eigenen Unzulänglichkeiten erkennen würden.
Dies geschieht aber aus folgenden Gründen oft nicht (am Beispiel des Autofahrens):
- Fehlendes Feedback: Die Beifahrer sind zu höflich oder trauen sich nicht dem Fahrer zu sagen, dass er unsicher fährt oder haben Angst, dass sie dann nicht mehr mitfahren dürfen.
- Keine direkte Auswirkung: Vielleicht hat die Inkompetenz keinen direkten Einfluss auf die Person. Der Autofahrer denkt, alle anderen können nicht fahren und die Auswirkung seines schlechten Fahrstils übersieht er grosszügig.
- Die Anderen haben keine Ahnung/nur ein schlechter Tag: Wenn doch negative Kritik angebracht wird, denkt sich der Autofahrer, dass die anderen vom Autofahren keine Ahnung haben. Alternativ kann man sich selbst glauben machen, dass man heute nur Pech mit den anderen Autofahrern/den Bedingungen/irgendwas hatte.
Besserwisser verstehen in den Sozialen Medien

In den Sozialen Medien kann man diesen Effekt besonders schön und anschaulich verfolgen.
Oft scheinen die Personen besonders lebhaft und engagiert zu kommentieren und zu diskutieren, die am ziemlich wenig Ahnung von den Themen haben. Dies kannst du überall in Kommentaren oder sogar in den Posts direkt mitverfolgen.
Noch komplizierter wird es in zwischenmenschlichen Beziehungen
Weiterführend haben zwei Forscher untersucht, wie wir unsere empathischen Fähigkeiten bewerten. Diese sind für das Zusammenleben mit anderen und unsere Beziehungen von zentraler Bedeutung.
Wenn Personen die Gefühle und das Verhalten der anderen falsch interpretieren, kann dies zu unangebrachten Reaktionen oder Handlungen führen. Also können Besserwisser andere Menschen schlechter vestehen.

Auch hier könnte der Dunning-Kruger Effekt greifen und wir über-, bzw. unterschätzen unsere Fähigkeiten zu erkennen, was andere denken, möchten und fühlen.
So glauben Menschen, welche das Verhalten des Umfeldes am schlechtesten interpretieren, dass sie extrem empathisch sind und können ihre Fehleinschätzungen nicht erkennen.
Die Forscher schlagen vor, dass es helfen könnte, diese Personen darauf aufmerksam zu machen und zu motivieren, sich dafür zu interessieren und sich mit dem Thema auseinander zu setzen.
Das scheint mir schwierig, da die Person ja denkt, sie habe überdurchschnittliche empathische Fähigkeiten.
Zu erkennen, was in anderen vorgeht, ist keine simple Fähigkeit, sondern setzt sich aus vielen verschiedenen Teilen zusammen. So haben wir alle Verbesserungsmöglichkeiten in bestimmten Bereichen, für diese sollten wir offen bleiben.
Für zwischenmenschliche Interaktionen ist es immer am Besten nachzufragen, was der andere gemeint hat.
Annahmen aufzustellen, weil wir ja ach so wahnsinnig empathisch sind und alle verstehen, ist oft keine besonders gute Idee.
Die Beeinflussung von aussen
Eine weitere Studie konnte zeigen, dass wir uns bei unserer Selbst-Falscheinschätzung zusätzlich von aussen beeinflussen lassen. Dabei wurden Tests so erstellt, dass sie entweder darauf abzielten dem Teilnehmer ein positives oder negatives Gefühl zu vermitteln.
Die Selbsteinschätzung der Teilnehmer fiel entsprechend der Manipulation aus, jedoch hatte diese keinen Einfluss auf die tatsächlichen Testergebnisse. In anderen Studien konnte jedoch gezeigt werden, dass solche Beeinflussungen sehr wohl einen Effekt auf die Resultate hat.
Ein Beispiel solcher Fehleinschätzungen ist, dass Frauen sich in einem Wissenschaftstest viel schlechter einschätzen, obschon sie dieselben Ergebnisse erreichen wie die Männer.
Wie kannst du diese Information für dich nutzen?
Als erstes hilft es, andere nicht zu verurteilen, wenn sie sich als Experten aufführen, obschon sie keine Ahnung haben. Aufgrund des Dunning-Kruger Effekts können sie dies gar nicht bemerken. Das hilft schon sehr dabei Besserwisser zu verstehen.
Für uns selbst können wir uns immer wieder daran erinnern, dass wir nichts wissen.

Die Forscher konnten in ihrer Studie zeigen, dass schon ein kurzes Training bewirkt, dass sich Personen besser selbst einschätzen können. Dies scheint jedoch nur zu funktionieren, wenn schon eine gewisse Fähigkeiten vorhanden ist. Bei den jeweils Schlechtesten hilft es auch nicht, eine Rückmeldung über ihr Abschneiden in Relation zu den anderen zu geben, um eine Einsicht zu erlangen.
Wenn du das nächste Mal etwas Neues lernst, dann erinnere dich daran, dass du bestimmt noch nicht allzu gut darin bist. Arbeite weiter an dir und werde besser, irgendwann stimmt dann auch die Einschätzung deiner Fähigkeiten besser. Doch zu welchem Zeitpunkt dies der Fall ist, wirst du leider nie erfahren.
Auf die andere Seite neigen Experten dazu die Aufgabe zu unterschätzen, weil sie ihnen leicht fallen. Wenn du also Experte in einem Bereich bist, versuche deine Ansprüche an andere herunterzuschrauben und Rücksicht zu nehmen. Höchstwahrscheinlich ist die Aufgabe nicht einfach, sondern du bist sehr geübt darin und unterschätzt deine Fähigkeiten.
Es ist nicht möglich den Inkompetenten mit Kompetenz zu überzeugen. Er kann die beiden Dinge nicht voneinander unterscheiden.
Das einzige was helfen kann ist, wenn sich die Person in diesem Bereich mehr Wissen aneignet, zum Beispiel mit einer Weiterbildung. Je mehr eine Person in dem Bereich weiss, desto besser kann sie die eigenen Fähigkeiten einschätzen.

Goni Boller ist bekennende Scannerpersönlichkeit, sie liebt ihre vielen Fähigkeiten und Interessen. Doch das war nicht immer so, lange dachte sie, irgendwas stimme nicht mit ihr. Hier teilt sie mit dir, wie es möglich ist, Klarheit in die vielen Interessen zu bringen.